
Österreichs Regierungskrise scheint vorerst beendet zu sein: Kanzler Kurz ist zurückgetreten – und die Grünen bleiben in der Regierung mit der ÖVP. Derweil gibt es neue Enthüllungen.
Mit dem Rücktritt von Sebastian Kurz (ÖVP) vom Amt des Bundeskanzlers scheint das Chaos abgewendet zu sein: Die Grünen hatten dem von Korruptionsvorwürfen schwer belasteten Kanzler nicht nur mit einem Misstrauensvotum gedroht: In den vergangenen Tagen hatten sie bereits mit Oppositionsparteien Gespräche über eine Mehrparteienregierung ohne ÖVP geführt – für den Fall, dass der Kanzler nicht zurücktreten und den Weg für einen „untadeligen“ neuen ÖVP-Kanzler freimachen würde. Selbst über eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ hatte man bei Grünen und SPÖ nachgedacht.
Kurz beim Rücktritt: „Mein Land ist mir wichtiger“
Am Samstagabend gab Kurz dann aber seinen Rücktritt als Bundeskanzler von Österreich bekannt. „Mein Land ist mir wichtiger als meine Person“, sagte er.
Außenminister Alexander Schallenberg soll jetzt der „Untadelige“ sein und das Amt als Kanzler übernehmen. Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler ist zufrieden: „Dies bedeutet, dass wir die Regierungsarbeit auf Basis des Regierungsprogramms fortsetzen können.“
Opposition kritisiert Wechsel von Kurz ins Parlament
Mit seinem Schritt hat Kurz also – zumindest vorerst – die Regierung gerettet. Er kündigte jedoch keinen völligen Rückzug aus der Politik an. Er bleibe ÖVP-Chef und wechsle als Fraktionschef ins Parlament, sagte Kurz. Die Opposition sieht darin einen taktischen Schachzug, aber keinen Systemwechsel. Herbert Kickl, Chef der rechten FPÖ, kritisiert: „Sebastian Kurz tritt die Flucht in die parlamentarische Immunität an.“
Rücktritt von Kurz: Opposition sieht "machtpolitischen Schachzug" https://t.co/LaYUtzuVlZ #Österreich #SebastianKurz #ÖVP
— tagesschau (@tagesschau) October 10, 2021
Kurz wird Bestechung und Untreue vorgeworfen – mit Steuergeld
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft beschuldigt Kurz und engste Mitarbeiter, sie hätten seit 2016 manipulierte Umfragen anfertigen lassen und diese dann mit bezahlten Zeitungsberichten in einer Boulevardzeitung veröffentlicht, um Kurz in ein gutes Licht zu rücken. Ziel sei gewesen an die Parteispitze und ins Bundeskanzleramt zu kommen.
Dafür soll Geld aus dem Finanzministerium zweckentfremdet worden sein – also Geld vom Steuerzahler. Laut Staatsanwaltschaft geht es um mehr als eine Million Euro aus dem Etat des Finanzministeriums. Nachdem Kurz im Dezember 2017 Kanzler wurde, soll die Kooperation mit dem Medienhaus weitergegangen sein – mindestens bis 2018.
Korruptionsvorwürfe und abfällige Nachrichten über Parteifreunde
Nachgewiesen worden sein, soll ihm das alles mithilfe aufgedeckter SMS-Nachrichten – Kurz sagt, er habe sie „in der Hitze des Gefechts“ geschrieben. Die SMS sollen auch über die Korruptionsvorwürfe hinaus brisant sein:
Laut Spiegel, der schreibt, er habe Einblick in die Chatprotokolle, äußert sich Kurz darin auch überraschend abfällig über Parteifreunde. Dass ihn jemand gegen Kritik seines Vorgängers als ÖVP-Vorsitzender, Reinhold Mitterlehner, in Schutz nahm kommentierte er demnach: „Das stört den Arsch sicher am meisten.“
Über die Vorwürfe sagte Kurz am Samstag: „Sie sind falsch, und ich werde das auch aufklären können. Davon bin ich auch zutiefst überzeugt.“
2019 war unter Kurz bereits die Koalition der ÖVP mit der rechtspopulistischen FPÖ im Zuge der Ibiza-Affäre zusammengebrochen. Bei der anschließenden Neuwahl wurde die ÖVP erneut stärkste Kraft und Kurz wieder Regierungschef.
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